EdTech Austria Summit: Muss Lernerfolg messbar sein?
Nicht was wir lernen, sondern wie wir lernen, stand im Mittelpunkt des diesjährigen EdTech Austria Summits. Fast 300 Besucher:innen konnten wir heuer im Salzburg Congress begrüßen, fünf Panels, vier Workshops und zwei Keynote Speeches standen am Programm. Daneben gab es eine Expo-Area, in der über 20 Austeller:innen zum Ausprobieren einluden. Die Networking Area mit zwei Sessions wurde von der European EdTech Alliance (EEA) gestaltet. Mit diesem Nachbericht geben wir euch einen kleinen Einblick in das vielfältige Programm.
Für EdTech Startups: Entwicklung und Finanzierung
Die Eingangsfrage, ob Lernerfolg messbar sein soll, kommt sehr auf die Sichtweise an. Aus der Sicht der Finanzierung von EdTechs wird das mit dem Investment schwieriger, wenn die Lernerfolge nicht klar messbar sind. Dennis Birkhölzer von Founders Foundation sitzt oft an so einer Stelle, wo es um Risikokapital für Startups geht. „Wir brauchen Zahlen, Experience kann man sich nicht ausrechnen. So werden eher wenige EdTech-Startups im Playful-Learning-Bereich finanziert“, gibt er zu bedenken. Trotzdem wissen Unternehmen auch diese zu schätzen. Sonja Polt, zuständig für Global Talent Management bei AT&S, berichtet vom Einsatz eines solchen Games im eigenen Unternehmen. „Wir müssen natürlich immer auf Kosten und Zeit schauen. Aber trotzdem geht es auch um Soft Skills.“ Hier lernen die Mitarbeiter:innen außer Wissensinhalte auch spielerisch Selbstreflexion, Kollaboration und Teamkommunikation, die nicht einfach mittels Quiz abfragbar sind. Für das Lernerlebnis selbst ist man sich einig: es muss nicht oder sollte vielleicht auch nicht messbar sein. Ein Beispiel: Weiß man, was Spam ist, wenn man es in einem Quiz richtig angehakt hat? Erkennt man aufgrund dieses Wissens, ob es sich um eine Spam-E-Mail handelt? Oder kann man das eher beurteilen, wenn man in einer spielerischen Umgebung Erfahrungen mit der Erkennung von Spam gemacht hat? Die Antwort liegt hier eindeutig bei der „Experience“, die besseren Lernerfolg verspricht.
Marktfeedback einholen
Dennis hat aber auch Tipps für angehende EdTechs im Gepäck: Marktfeedback von der potenziellen Kundschaft sollte jedenfalls früh genug eingeholt werden. Dazu gehört auch die Feststellung, wer überhaupt die Kund:innen sind und ob diese und die, die für das Produkt bezahlen, die gleichen sind. Dafür braucht es Offenheit und die Fähigkeit, auch negatives Feedback akzeptieren zu können.
Nicht mit allen Games konkurrieren
Ein EdTech, das schon seit 20 Jahren am Markt ist, ist ovos. Co-Owner Jörg Hofstätter war ebenfalls am Panel und berichtete von seinen Erfahrungen. Ob er es auch als Stigma erlebt habe, Educational Games anzubieten, wollte jemand aus dem Publikum wissen. Hier rät Jörg: „Steht zu eurem Thema, nämlich, dass ihr spielerisch Lerninhalte vermittelt. Versucht nicht mit allen anderen Games zu konkurrieren, dabei verliert man oft.“ Schüler:innen könnten akzeptieren, wenn ein Spiel nicht wie ein AAA-Game* aussieht, wenn es klar als Lernspiel kommuniziert wird.
*Damit ist ein Spiel gemeint, hinter dem ein sehr hohes Budget und sehr hohe – jedenfalls grafische, meist auch erzählerische – Qualität steht.
Für Lehrer:innen: Einbindung von Gaming-Kultur und IT-Kenntnisse für alle
Wenn jemand Games kennt, sind das Jugendliche. In ihrer Kultur sind Games nicht mehr wegzudenken. Diese sind auf Handy, Tablet, Konsole oder PC verfügbar, es gibt sie zu den unterschiedlichsten Inhalten und Kosten. Keynote-Speakerin Natalie Denk, Leiterin des Zentrums für Angewandte Spieleforschung in Krems, plädierte dafür, Games und Gaming-Kultur in den Unterricht zu integrieren. Damit können Lehrer:innen nicht nur in und mit der Lebensrealität der jungen Menschen arbeiten, sondern auch spielerisch Skills vermitteln und dafür Praktiken der Gaming-Szene einsetzen. Mit „Praktiken“ sind hier nicht nur das gemeinsame gegeneinander oder miteinander spielen gemeint, sondern auch das rundherum: Diskussionen auf Reddit, Anschauen und/oder Produzieren von Let’s Play-Videos auf Youtube oder Twitch, Kreation von Fan Art, Modding oder Cosplay. (Euch sagt das alles nichts? In der Infobox haben wir ein kleines Glossar angehängt).
Unterrichtsprojekte mit Gaming-Praktiken
Mit ihrem Team entwickelt Natalie Formate für und mit Schüler:innen. So haben sie in einem Projekt Let’s Play-Videos mit Schulgruppen entwickelt. Hier lernen die Kinder und Jugendlichen nicht nur, wie ein Berufsalltag in dem Bereich aussehen könnte, sondern auch Skills zu Video- und Tontechnik, Präsentation und Kommunikation sowie Infos rund um Medienrecht. In einem anderen Projekt wurde eine E-Sports-Schulliga gegründet, in der eine Mädchenquote pro Team von 50 % zwingend war. Das ist wichtig, denn immer noch kann die Gaming-Szene sehr ausschließend gegenüber Mädchen sein. Vorurteile werden durch das gemeinsame Spielen auf beiden Seiten, bei den Jungs und den Mädels, gebrochen. Zudem erlaubt das Projekt Einblick in andere Berufswelten rund um die Liga, wie in die Organisation oder Werbung. Haptischer geht es bei Cosplay zu. Dabei kommen zum Beispiel kreative und textile Techniken zum Einsatz, um Kostüme von beliebten Spielefiguren nachzubauen.
Programmieren für alle
Die Hacker School, die vor kurzem einen Ableger in Salzburg gegründet hat, beschreitet einen anderen Weg. Die Mission: jedes Kind soll einmal positive Erfahrungen mit Programmierung machen. Dafür hat die Hacker School Kooperationen mit Firmen, die wiederrum IT-Expert:innen zur Verfügung stellen, damit sie in Kleingruppen mit Kindern und Jugendlichen arbeiten. So bekommen diese Einblick in das Programmieren selbst aber auch in eine mögliche Berufswelt. Steffi Susser ist Geschäftsführerin der Hacker School Austria und von der Notwendigkeit überzeugt: „Wollen wir eine Welt, in der wir alle KI oder andere Systeme nur noch bedienen und nicht mehr wissen, wie diese überhaupt funktionieren? Das macht uns doch zu Lemmingen!“ Nicht alle sollen IT-Fachkräfte werden, aber alle sollen für sich mit Vorurteilen aufräumen können, einen Einblick erhalten und so eine fundierte Auswahl für einen Berufsweg treffen können. „Vor allem für Mädchen eröffnet sich unserer Erfahrung nach damit eine ganze neue Welt der Möglichkeiten, die sie vorher für sich nicht gesehen haben“, so Steffi.
Für Unternehmen: Spielende Belegschaft und die Rolle von KI
Hand aufs Herz: für wie viele Unternehmensvertreter:innen da draußen ist der Gedanke, dass sich ihre Teams in der Arbeit zum Spielen treffen, nicht ein wenig abwegig? Doch gerade in großen Firmen, wo sich einzelne Teams untereinander womöglich gar nicht kennen oder in anderen Ländern oder sogar Kontinenten zuhause sind, kann Teambuilding und Persönlichkeitsentwicklung auch über geeignete Games stattfinden. Ein Anbieter eines solchen Games ist teamazing. Geschäftsführer Paul Stanzenberger gab aber auch das Feedback, dass gerade in Europa, solche Spiele noch schwieriger zu verkaufen sind. Weil eine KI zugeschaltet werden und Feedback zu den Interaktionen der Spielenden geben kann, gibt es unter anderem hierzulange schnell Arbeitsrechts- und Datenschutzbedenken. „Diese können ausgeräumt werden“, sagt Paul, „mit einer Angabe darüber, wie die Daten verwendet werden und wer Einblick erhält sowie einer Zustimmung dazu ist das Datenschutzthema erledigt.“ Auch arbeitsrechtlich kann man eine Vereinbarung mit den Mitarbeiter:innen schließen – sofern sie das möchten natürlich.
Mitarbeitende anders kennenlernen
Unter Umständen bekommt man auch gehörige Aha-Erlebnisse geliefert. Thomas Layer-Wagner, CEO von Polycular, berichtete davon, wie Teams bei einem gemeinsamen Escape-Game die besonderen Qualitäten eines Mitarbeiters bemerkt haben: Dass er anleiten kann, ohne Aufgaben abzunehmen, wurde auch am Ende beim Feedback besonders honoriert und hervorgehoben.
Qualitätssicherung ist wichtig
In anderen Zusammenhängen, vor allem in der Erstellung von Content, wird KI – meist in Form von ChatGPT – bereits breit eingesetzt. Hier sieht Panelist Bernd Simon (Knowledge Markets) noch hohe Anforderungen in der Qualitätssicherung. Nicht alles, was die KI von sich gibt, ist korrekt, das Internet wird mit „Schrott-Content“ überflutet. Hier gibt es allerdings Zuversicht, dass Suchmaschinen ein solches Überfluten auch wieder abstrafen werden.
Alle anderen Themen
Was ihr verpasst habt und wir leider nicht mehr behandeln können: die Vorstellung weiterer EdTech-Projekte, die Workshops für Kinder und Jugendliche, in denen sie zum Beispiel gelernt haben, Fake News zu erkennen, die Verleihung der Gütesiegel für 42 neue Apps, das Anfassen und Ausprobieren von EdTech in der Expo, wie EdTech-Apps zur psychischen Gesundheit beitragen können und die vielen großartigen Menschen, die wir empfangen durften!
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