Märt Aro: Personalisiertes Lernen mit EdTech-Anwendungen
Der Besuch eines orientalischen Basars ist etwas Außergewöhnliches. Die Fülle an Gerüchen, Farben und Eindrücken der Gewürze und Produkte, die dort angeboten werden, machen den Gewürzmarkt zu einem einzigartigen Erlebnis.
Dieses Bild zeichnet Märt Aro, Co-Gründer des estnischen Startups DreamApply und des Nordic EdTech Forums, wenn er von seiner Vision von der Zukunft der digitalen Bildung spricht: Ein Basar mit einer Fülle an Bildungsangeboten, die einzigartige Lernerlebnisse versprechen und aus dem sich jede und jeder genau das aussuchen kann, was sie oder er braucht.
Diese Art von Lernen ist bereits möglich – mit den Erkenntnissen aus der Psychologie und der Neurowissenschaft wissen wir bereits, welche Vorgänge beim Lernen im Gehirn passieren und wie wir am besten lernen. Dabei hat jeder Mensch eigene Bedürfnisse, um zum besten Lernergebnis zu kommen. Es gibt bereits Tools, die genau darauf eingehen und personalisiertes Lernen ermöglichen. „Wir können mit digitalen Bildungslösungen das Lernen für die Lernenden verbessern und auch die Kosten der Personalisierung des Lernens verringern“, ist Märt Aro überzeugt. Personalisiertes Lernen ist so für alle Lernenden möglich.
Bildung in das Industrie 4.0-Zeitalter bringen
Der estnische EdTech-Experte ist überzeugt, dass es eine digitale Transformation in der Bildung braucht. Denn unsere Schulsysteme wurden in der vorindustriellen Zeit entwickelt und decken nicht mehr das ab, was Menschen im 21. Jahrhundert können müssen. Zum Vergleich: Vor 150 Jahren arbeiteten circa 70 Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft. Die industrielle Revolution hat diese Lebensumstände radikal verändert. Und in der heutigen Zeit der Industrie 4.0 werden viele Ebenen des Erwerbslebens automatisiert. „Das Schulsystem wurde für Industrie 1.0 entwickelt. Wir müssen uns daher überlegen, was unsere Kinder in der heutigen Zeit lernen müssen“, sagt Märt Aro.
Die Kluft zwischen den Fähigkeiten, die Kinder in der Schule lernen, und jenen, die Unternehmen von ihren Arbeitskräften brauchen, ist groß. Laut EU-Statistiken müssen 45 bis 60 Prozent der Menschen bis circa 2030 eine Umschulung machen, ansonsten wird ihre Arbeitskraft durch Automation ersetzt. Da der Umschulungsaufwand für die Erwachsenenbildung zu groß wäre, muss man bereits in der Schulbildung ansetzen. Gefragt sind digitale Kompetenzen und „21st century skills“ wie Kreativität und Kollaboration.
EdTech als Problemlöser
Digitale Anwendungen in der Bildung können dabei helfen, diese Kompetenzen den Kindern zu vermitteln. Dabei können sie so eingesetzt werden, dass sie die verschiedenen Bedürfnisse der Kinder erfüllen. Auch hier zeichnet Märt Aro ein visuelles Bild: „Das Spielen mit Lego ist so beliebt, weil man diese beliebig kombinieren und das bauen kann, was einem gerade gefällt oder was einem nützt.“ Verschiedene EdTech-Anwendungen können herangezogen werden, um verschiedene Probleme zu lösen. So entwickelte das finnisches Startup GraphoGame das gleichnamige Spiel, welches Kindern mit Legasthenie spielerisch lesen beibringt – ganz ohne die Hilfe von Lehrkräften. Denn wissenschaftliche Erkenntnisse haben gezeigt, dass traditionelle Lehrmethoden zum Lesen und Schreiben lernen für diese Kinder nicht förderlich sind. Das entlastet auch die Lehrerinnen und Lehrer und fördert die Kinder.
Ein anderes Beispiel ist Lingvist, eine App aus Estland, mit der man mithilfe von künstlicher Intelligenz spielerisch Sprachen lernen kann. Sie baut auf der wissenschaftlichen Erkenntniss auf, dass Menschen Inhalte schneller lernen, die sie auch interessieren. Wenn Lernende zum Beispiel gerne kochen, lernen sie als erstes Kochvokabular. Dadurch lernt es sich leichter und schneller. Außerdem werden die Wörter regelmäßig wiederholt, bevor man sie schon wieder vergessen hat. So werden sie schneller in das Langzeitgedächtnis übertragen.
Hürden am Weg zur digitalen Bildungstransformation
Die Anwendungen für personalisiertes und besseres Lernen sind also bereits vorhanden. Warum aber finden nur wenige davon Eingang in unsere Bildung? So finden zum Beispiel wissenschaftliche Erkenntnisse kaum den Weg in die Praxis, also in die Bildungsinstitutionen. Das liegt auch an den fehlenden Bemühungen seitens der politischen Entscheidungsträgerinnen und -träger, Innovationen in der Bildung voranzutreiben.
Die Richtung, in die sich die Bildung in Europa entwickeln muss, ist für Märt Aro die der Innovation und digitalen Transformation : „Denn mittlerweile kann ein Startup hochqualitative Services aus der ganzen Welt entwickeln – für die ganze Welt.“
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