Frühkindliche Bildung Teil 2: Am Bildschirm der Eltern werden Weichen gelegt
Wie wichtig eine positive Bildungssozialisation für den Umgang mit digitalen Tools ist, das erklärt die renommierte österreichische Bildungspsychologin Christiane Spiel im Gespräch mit EdTech Austria. Achtung, Spoiler: Besonders spannend dabei – die Rolle der Eltern.
Frau Professor Spiel, was bedeutet frühkindliche Bildung?
Unter vorschulischer Bildung versteht man alle öffentlichen Bildungsangebote von der Geburt bis zum Schuleintritt. Während es in den ersten Phasen nur um eine „Bewahrung“ des Kindes ging, liegt derzeit der Fokus bei frühkindlicher Bildung auf der individuellen Förderung und Betreuung des Kindes zur Vorbereitung auf die Schule und längerfristig auf der Integration in die Gesellschaft. Dazu zählt vor allem die Bildungssozialisation, zu der zum Beispiel der Aufbau eines Regelbewusstseins gehört. Wichtig ist auch die Förderung von Empathie, d.h. das Verständnis für andere und ihre Gefühle. Natürlich geht es auch um die Förderung von Kompetenzen, die für die Schule wichtig sind, wie beispielsweise die sprachliche Ausdrucksfähigkeit, Motorik oder um die Übung von Konzentration.
Ist die Sozialisierung in frühkindlicher Bildung wichtig für den Umgang mit digitalen Geräten?
Absolut. Sozialisationskomponenten der vorschulischen Bildung werden immer wichtiger durch und für den reflektierten Umgang mit Digitalisierung. Es ist aber nicht nur wichtig, dass Bildungsinstitutionen im Elementarbereich und in Kindergärten eine gute Vorbereitung schaffen – Auch Eltern haben hier essentielle Bildungsaufgaben.
Welche?
Wie man häufig beobachten kann, geben viele Eltern teilweise schon recht kleinen Kindern, wenn sie stören, ein Tablet in die Hand, damit sie beschäftigt sind. Das ist eine sehr problematische Sozialisation. Denn das Kind lernt dadurch, dass es, wenn es stört, wenn es ein Schlingel ist, die Zuwendung der Eltern bekommt und obendrauf das Tablet.
Wie kann man das besser machen?
Wenn Eltern bereits einem kleinen Kind ein Tablet oder ein Smartphone geben, dann bestenfalls, um damit gemeinsam etwas zu machen und darüber zu sprechen. Wichtig ist nämlich auch, dem Kind Fragen zu stellen: Wie findest du das Spiel? Was gefällt dir besonders? Ebenfalls wichtig ist es, selbst zu sagen, was einem gefällt und warum. Das passiert meiner Beobachtung nach viel zu selten. Eltern sind häufig selbst negative Vorbilder, weil sie dauernd auf das Handy schauen und nicht oder nur wenig auf ihre Sprösslinge reagieren. Als Elternteil könnte man aber auch ganz einfach zeigen, was man mit dem Handy, mit dem Tablet machen kann. Zum Beispiel erklären, dass man gerade Nachrichten schreibt und warum das wichtig und hilfreich ist. Denn auch das ist Sozialisation: Ich gebe dem Kind nicht nur ein Smartphone damit es spielt, sondern ich zeige, welche Rolle das Smartphone in meiner Welt hat und warum. Ich glaube, viele Eltern sind sich gar nicht richtig bewusst, dass sie ein Modell für ihr Kind sind, und das auch hinsichtlich Digitalisierung.
Was wäre denn hier Ihre Empfehlung?
Damit nicht die ganze Familie auf die Handys schaut und kaum miteinander kommuniziert, sollte man, wenn die Kinder älter sind, sich Zeiten ausmachen, in denen alle Familienmitglieder das Handy weglegen. Wir müssen wieder lernen, nicht immer auf jede Meldung zu reagieren, um damit auch eine gewisse Distanz zu digitalen Medien aufzubauen. Das ist für die Kommunikation in der Familie sehr positiv. Kindern sollte aber auch bewusst werden, dass es für nachhaltiges Lernen negativ ist, wenn sie sich ständig von irgendwelchen Medien ablenken lassen. Das beeinträchtigt die Konzentration und sie merken sich viel weniger.
Und im Elementarbereich – Sollen Kinder im Kleinst- und Kleinkindalter mit Pädagog:innen schon digitale Geräte verwenden?
Davon würde ich eher abraten. Falls ja, dann sollte der Einsatz begründet und gezielt sein. Im Kindergarten geht es eher darum, mit ihnen darüber zu sprechen. Die Kinder zu fragen, wie es bei ihnen zuhause ist, ob sie dort Handys oder Tablets verwenden und was sie damit machen. Damit wird das Thema auf der Metaebene angesprochen, anstatt die Geräte aktiv zu verwenden. Dabei kann man durchaus kritische Fragen stellen: Was möchten sie gerne mit dem Handy machen und warum? Ob sie es gut finden, viel Zeit damit zu verbringen? Was könnte man sonst in der Zeit machen?
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