Die drei Fragen der digitalen Bildungsrevolution
„Die digitale Bildungsrevolution ist eine alte und auch eine neue Diskussion“, sagte Jörg Dräger, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung und ehemaliger Kultusminister von Hamburg. Denn Bildungstechnologien, die beim Lernen unterstützen, waren bereits vor der Corona-Krise ein großes Thema. Die Pandemie hat der Diskussion um den Einsatz von EdTech, also Educational Technology, neuen Auftrieb gegeben.
Wenn man von EdTech spricht, muss man laut Jörg Dräger drei Kernelemente betrachten: Was können und sollen Education Technologies Schülerinnen und Schülern vermitteln? Wie können sie dabei helfen, auf individuelle Bedürfnisse der Lernenden einzugehen? Und wie kann uns EdTech helfen, zu erkennen, ob eine Person notwendige Kompetenzen für eine Tätigkeit mitbringt?
EdTech lehren soft und hard skills
Auf die erste Frage – nach dem „Was?“ – antwortete Jörg Dräger mit einem Beispiel. Die Eliot School in Boston lehrte Kindern in verschiedenen Schulstufen auf altersgerechte Weise Robotik. In der ersten Schulstufe erhielten die Fünfjährigen die Aufgabe, einen Stuhl für einen müden Stofftiger aus Legosteinen zu bauen, damit dieser sich ausruhen kann. Die Kinder lernten dabei etwas über Statik und über problembasiertes Lernen. In der zweiten und dritten Klasse bauten die Kinder in einer Gruppenübung Jahrmarkt-Geräte mit Legosteinen nach. Dabei lernten sie kollaboratives Arbeiten und Kenntnisse über Zentrifugalkräfte, Dynamik und Motoren. Die Aufgabe für die älteren Kinder in der 4. und 5. Klasse bestand darin, einen Roboter zu bauen, der über unbekanntes Terrain fahren kann, ohne einen Ping Pong Ball zu verlieren.
Bei all diesen Übungen ging es nicht nur um die Vermittlung von Coding und Robotik, sondern auch um Kompetenzen wie Resilienz, Kreativität, Problemlösungsdenken und Kollaboration – 21st century skills. „Bildungstechnologien schaffen es, die Vermittlung von technischen Fähigkeiten und Kompetenzen, die im 21. Jahrhundert gefragt sind, zu kombinieren“, sagte Jörg Dräger.
Personalisiertes Lernen mit EdTech
Bildungstechnologien können Lehrinhalte nicht nur besser aufbereiten, sondern auch auf die persönlichen Bedürfnisse zuschneiden. Jede:r Lernende hat seine Stärken und Schwächen und sein eigenes Lerntempo. Wie man mit EdTech personalisiertes Lernen fördert, zeigt ein Beispiel einer New Yorker Schule mit Kindern aus sozial benachteiligten Familien. Die Schule hat mit der gemeinnützigen Organisation School of One den Mathematikunterricht revolutioniert. Nicht nur wurde der Unterricht mit Lernvideos, Spielen und Simulationen digitalisiert, sondern auch ein individueller Lehrplan für den nächsten Tag für jede Schülerin und jeden Schüler erstellt, indem die Nutzungsdaten der digitalen Unterrichtsmaterialen ausgewertet wurden. Die Kinder dieser Schule haben Mathematikinhalte um 50 Prozent schneller als der amerikanische Durchschnitt gelernt. Das zeitg beispielhaft, wie auch die Frage 2 – wie EdTech auf die Bedürfnisse der Lernenden eingehen kann – beantwortet werden kann.
Kompetenzen erkennen und messen
„Die dritte Frage – nach dem Wohin? – wird oft vernachlässigt. Die Grundsatzfrage lautet hier: Kann ich mit Bildungstechnologien vorhersagen, ob jemand im Job erfolgreich ist oder nicht?“, so Jörg Dräger. „Denn ein Universitätsabschluss oder ein anderes Zertifikat ist kein guter Prädiktor dafür, ob jemand zum Beispiel gut im Programmieren ist.“ Doch ist es nach wie vor so, dass Menschen ohne Abschluss öfter von Arbeitslosigkeit betroffen sind, auch wenn sie notwendige Kompetenzen für einen Job mitbringen, als Menschen mit Abschluss.
KI-gestützte Technologien können Fähigkeiten eines Menschen messbar machen. Die Firma Knack’s aus dem Silicon Valley hat dafür das Computerspiel „Wasabi waiter“ entwickelt, welches verschiedene Kompetenzen, wie zum Beispiel Empathie und das Lernen aus Fehlern, beim Menschen in nur wenigen Minuten herausfiltern kann. Unabhängig von Ausbildungen können Unternehmen so Personal finden, das für bestimmte Positionen geeignet ist.
Jörg Dräger stellte abschließend fest: „Das sind die drei Kernelemente – das Was? Wie? Und Wohin?, bei denen EdTech uns helfen kann und um die wir uns auch kümmern müssen.“
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