BizExaminer und das komplexe Business der digitalen Prüfungen
„Zuverlässigkeit und Performance“ – das klingt erstmal nach einem neuen Auto. Tatsächlich waren das aber die zwei wichtigsten Parameter bei der Entwicklung des bizExaminer. Die digitale Prüfungssoftware entstand nämlich aus einem spezifischen Problem heraus. Namhafte Anwender:innen von Zertifizierungsprüfungen stießen mit ihrer damaligen Prüfungssoftware aus den USA immer wieder auf Probleme. Es kam öfter vor, dass die Internetverbindung ausfiel, dann das Programm hakte und die Teilnehmer:innen alle Prüfungsantworten neu eingeben mussten. Oder es gab noch größere technische Probleme, die sich durch die verschiedenen Zeitzonen nicht schnell genug beheben ließen. Das war keine langfristige Option und es entstand die Idee, selbst eine Prüfungssoftware zu entwickeln. Eine, die auch bei instabilem Internetzugang, Serverproblemen oder generell bei bockigen Computern nicht abstürzt oder hängen bleibt – Der Grundstein für die Gründung der Firma bizDevelop und des Produkts bizExaminer.
Der Klassiker der digitalen Prüfung
Miteinzubeziehen gab es viel, denn die Anforderungen an eine digitale Prüfungstechnologie variieren sehr stark: Sollen sie von zuhause aus abgelegt werden oder in einem Testcenter? Als offene Fragen oder im Multiple Choice Stil? Soll die Software in die bestehende IT-Landschaft integriert werden? Mit bizExaminer ist es jedenfalls gelungen, für all diese verschiedenen Kund:innenwünsche die richtige Nutzung zu ermöglichen – mit oder ohne technischen Support der Expert:innen von bizDevelop. Die „klassische“ und einfachste Variante findet sich häufig bei Zertifizierungs- sowie Berufsbefähigungsprüfungen, beispielsweise bei theoretischen Führerscheintests. Die Prüfer:innen stellen dafür einen Pool an Fragen und Themen zusammen, die einige Jahre lang gelten und müssen daher nicht für jede Prüfung neue Inhalte schreiben. Die Fragen und Antwortmöglichkeiten werden automatisch zusammengestellt. Die Teilnehmer:innen kommen in ein Testcenter vor Ort und steigen an einem Computer gleich in die Prüfung ein, „Die Führerscheinprüfung erwähnen wir oft, wenn wir generell digitale Prüfungen erklären möchten“, sagt Bernhard Waglechner, einer der Gründer und Geschäftsführer von bizDevelop.
Das Rollenspiel in der Bedienung
Etwas komplizierter wird es, wenn die Prüfungssoftware in Lernmanagementsysteme und die bestehende IT-Infrastruktur an Hochschulen oder Universitäten integriert wird. Einerseits weil der Prüfungsstoff bei jedem Termin immer wieder ein anderer ist. Andererseits ist in diesem Bereich verstärkt E-Learning gefragt. Studierende können dabei beispielsweise mit Quizzes ihren Wissensstand testen und erhalten mehr Feedback, etwa bei falschen Antworten. Außerdem gilt es im Bildungsbereich Kriterien bei der Vergabe von Nutzungsrechten zu beachten – oft soll der eigene Prüfungsstoff nicht von anderen Professor:innen einsehbar sein. Die Prüfer:innen können daher verschiedene Nutzerrollen in der Verwaltung der Software einnehmen: Als Autor:innen, wodurch sie Prüfungsinhalte erstellen und den Zugang dazu beschränken können, oder mit eingeschränkten Rechten als Termin-Admin für die reine Erstellung von Klausurterminen. Die Prüfungsabsolvent:innen erhalten dann einen Link zur Klausur wenn sie von zuhause aus teilnehmen oder legen sie vor Ort ab.
Die passgenaue Fernüberwachung
Genau das ist eine der entscheidenden Fragen – wo soll die Online-Prüfung eigentlich stattfinden? Ein heißes Thema ist nämlich die Fernüberwachung, also sicherzustellen, dass nicht geschummelt wird. Für die hat bizDevelop zwar keine eigenen technischen Systeme, allerdings arbeiten die IT-Expert:innen mit externen Anbieter:innen zusammen und können ihre Kund:innen kompetent beraten. Vor allem während den ersten Covid-bedingten Lockdowns war guter Rat gefragt: „Die meisten Anfragen während des Distance Learnings durch Corona erhielten wir bezüglich der Fernüberwachung. Das waren unvorbereitete Hilferufe, gerade, weil man so ein heikles Thema nicht von einem Tag auf den anderen auf die Beine stellen kann“, sagt Bernhard. Denn vor der Pandemie wurden die meisten schriftlichen digitalen Prüfungen vor Ort in Testzentren oder EDV-Räumen durchgeführt, nicht im Schlafzimmer der Teilnehmer:innen. Die Überwachungsfrage stellte sich also nicht, zumindest nicht in diesem Ausmaß.
Bei der Fernüberwachung gibt es nämlich die rein technischen Ebene, wie man den Computerdesktop der Geprüften überträgt oder ob die externe Kamera funktioniert, die in Echtzeit beim Ablegen der Prüfung filmt. Weiter ist die Identitätsüberprüfung ein wichtiges Element, genauso wie das Onboarding der zu Prüfenden und das Organisieren der Überwachung – ein zusätzlicher Mehraufwand zur eigentlichen Online-Prüfung. Jene Hochschulen und Unternehmen, die sich während der ersten Pandemiewelle über digitale Prüfungen von zuhause getraut hatten, setzten meistens auf eine Mischung aus offenen Aufgabetypen, sogenannten „Open Book“-Klausuren mit vorgegebenen Abgabezeiten. Auch Multiple Choice Wissensüberprüfungen wurden hier vermehrt eingesetzt, die in kürzester Zeit erledigt werden mussten. „Das hat vielen Hochschulen in der Zeit von Corona als Kompetenzüberprüfung gereicht“, so Bernhard. Im Sommer 2020 ließen die meisten Hochschulen dann Studierende unter strengen Hygiene-Maßnahmen wieder Präsenzprüfungen ablegen.
Wenn Tausende gleichzeitig antreten
Bei Prüfungen gibt es neben der Stabilität bei technischen Problemen noch eine weitere wichtige Komponente – die Auslastung. Bei Aufnahmeprüfungen oder großen Hochschulprüfungen kommt es nicht selten vor, dass tausende Studierende gleichzeitig eine Prüfung ablegen. „Solche Kund:innen können wir nur bedienen, weil wir selbst alles optimieren – bis hin zur Serverinfrastruktur“, sagt Bernhard. Das ist die Basis, auf der absturzsichere und reibungslose Prüfungssoftware läuft. Ein wichtiger Punkt für das Business Modell von bizDevelop. „Das macht uns auch unabhängig von den großen Branchenplayern. Denn wenn Startups beispielsweise ihr Produkt auf einem Sever der großen IT-Konzerne laufen lassen, steigen mit dem Erfolg auch die dort anfallenden Kosten.“ Für das bizExaminer Prüfungssystem bleiben diese zum Glück überschaubar. Je nach Anwendungsfall gibt es verschiedene Modelle. Wie pay-per-use – also pro abgelegter Prüfung oder pre-pay, wobei ein Kontingent erworben wird, bei Hochschulen gibt es außerdem das Modell pro Student:in. „Wir finden für alle Anfragen das richtige Modell“, so Bernhard.
Nachgefragt bei Bernhard Waglechner:
Wie würde deiner Meinung nach eine rechtlich korrekte Fernüberwachung aussehen?
Ich bin selbst kein Rechtsexperte und sehe, dass es in Österreich aktuell unterschiedliche Ansichten einer „rechtlich korrekten Fernüberwachung“ gibt. Wenn es sich nicht um Open Book Klausuren handelt – mit einem länger gewählten Abgabezeitraum – ist für mich eine Kamera ein Muss, um zumindest eine Identitätsfeststellung durchführen zu können. Dafür reicht jede im PC eingebaute Webcam und muss nicht zwingend von der Hochschule gestellt werden. Vergessen darf man aber auch nicht das Thema der Chancengleichheit. Auch beeinträchtigte Menschen müssen die gleichen Chancen haben.
Du hast an der EdTech Austria Veranstaltung zu den Dos and Dont’s der Fernüberwachung teilgenommen. Konntest du dir hier noch etwas mitnehmen?
Von Serviceanbieter:innen, Studierendenvertreter:innen, Anwender:innen bis hin zu „Nicht-Anwender:innen“ war die gesamte Bandbreite vertreten. Dadurch hat man einen sehr guten Überblick erhalten, wo Österreich bei diesem Thema in etwa steht und wo es noch Aufholbedarf gibt. Außerdem hat das Event gezeigt, dass rechtliche Fragen wie Datenschutz und Dienstrecht oder die unterschiedlichen Hochschul- und Fachhochschulgesetze mit Blick auf Fernüberwachung noch eingehender berücksichtigt bzw. betrachtet werden müssen.
Wenn sich hier einige Hindernisse auftun, geht es in Zukunft zurück zu Präsenzprüfungen?
So würde ich das nicht sehen. Gerade im Bereich der Fachhochschulen in Österreich besteht eine Konkurrenzsituation und das Angebot von Remote-Prüfungen können den Attraktivitätsfaktor einer Schule für Studierende erhöhen. Die Hochschulen, die es erfolgreich geschafft haben, auf Distance-Learning und Distance-Prüfungen umzustellen, haben ihren Markt erweitert. Studierende aus dem Ausland können damit bedient werden, quasi ein Fernstudium machen. Das sieht man bei Elite-Unis aus den USA, die im Zuge der Digitalisierung stark auf Fernkurse gesetzt haben. Ich denke, dieser Trend geht weiter.
Wollt auch ihr international stärker vertreten sein?
Wir sind bereits in mehreren österreichischen Nachbarländern und vereinzelt außerhalb der EU vertreten. Unser User-Interface gibt es auf Deutsch, Englisch, Spanisch und Französisch, die Prüfungsinhalte können in jeder Sprache angelegt werden. Damit sind uns keine Grenzen gesetzt. Unser Produkt ist international absolut konkurrenzfähig. Das merken wir daran, dass mehr als die Hälfte unserer Kunden vorher die Produkte anderer Branchenführer verwendet haben und nach dem Wechsel nun viel zufriedener sind.
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