16. August 2021, Lebenslanges Lernen

Augmented Reality von Artivive küsst die Kunst in die Moderne

Wisst ihr noch, als man versuchte heimlich das Handy rauszuholen, um ein schönes Bild im Museum zu fotografieren? Sich dabei nervös umgeschaut hat? Die Zeiten sind definitiv vorbei. Stolz trägt man das Smartphone in der Hand, denn es ist ein zentrales Element von so mancher Ausstellung geworden. Das zeigt Artivive auf beeindruckende Art durch ihre App, die mit Augmented Reality (AR) moderne und klassische Kunstwerke mit digitalen Elementen erweitert und ins 21. Jahrhundert holt.

Neue Barrieren durch alte Ehrfurcht

Kunst und Interaktion, das war früher nicht denkbar. Kunstwerke waren dazu da, ehrfürchtig bestaunt zu werden. Mit neuen Generationen ziehen jedoch andere Zeiten auf. „Die Generation Z hat andere Prioritäten. Es zählen weniger Besitztümer, sondern eher Erlebnisse. Durch Technologien wie Augmented Reality werden traditionelle Kunstwerke erlebbar. Und dies kommt auch gut auf dem Social Media Feed an“, sagt Sergiu Ardelean, Gründer von Artivive. Audioguides und lange Texte würden sie eher abschrecken, sich mit einer Ausstellung zu befassen. Deshalb beschlossen er und sein Co-Gründer Codin Popescu aus dem Museumsbesuch ein Erlebnis zu machen und die bestehenden Barrieren abzubauen. Sergiu arbeitete davor als Creative Director in Werbeagenturen und erkannte in der Arbeit mit AR das Potential für die Kunst- und Kulturbranche.

AR kombiniert analoge Kunstwerke mit digitalen Content – so entsteht ein neues Kunsterlebnis. Foto: Artivive

Wie funktioniert Artivive?

Museumsbesucher:innen können sich die kostenlose App auf ihr Smartphone oder Tablet laden. Sie halten dann einfach ihre Kamera auf ein Kunstwerk und sehen die digitalen Elemente, die je nach Bearbeitung neue Zusammenhänge oder kulturelle Aspekte preisgeben. So können beispielsweise Klassiker mit Videos um ihre Entstehungsgeschichte erweitert werden oder den Besucher:innen wird mit Animationen gezeigt, wie das Bild als Entwurf ausgesehen hat. Manche Künstler:innen gestalten ihre Bilder gleich mit AR im Hinterkopf, wobei eine gänzlich neue Komposition entsteht, die nur in Kombination von analogen und digitalen Komponenten so wirkt, wie angedacht.

Viele Wege führen zur digitalisierten Kunst

Das 2017 in Wien gegründete Unternehmen finanziert sich einerseits durch Projekte mit renommierten Museen wie dem Albertina, MAK oder internationalen Institutionen wie dem Shanghai Himalayas Museum oder dem MIT – Massachusetts Institute of Technology. Andererseits wird die Nutzung der Artivive-Software, mit der Künstler:innen ihre eigenen oder fremde Werke designen, nach einer gratis Probezeit zum kostenpflichtigen Tarif. Museen, die sich digital aufhübschen wollen, lassen ihre Bestände meistens durch eine Begleitung des Artivive-Teams erweitern oder haben die Möglichkeit über das Unternehmen mit AR-Kunstschaffenden in Kontakt zu treten. Theoretisch könnten sie aber auch selbst mit der Software eigene AR für ihre Ausstellungen kreieren.

Ein spannendes Beispiel zeigt, wie der Großteil der Museen mit Artivive arbeitet: „Bei einem Projekt für das Belvedere, erhielten wir von den Kunstexpert:innen alle Informationen über das Exponat, das wir digital aufbereiten sollten. Danach haben wir Ideen zur digitalen Erweiterung vorgeschlagen, die dann ein AR-Künstler mit unserer Software gestaltet hat. Eine Win-win-Situation für alle Beteiligten“, sagt Sergiu. Man erfährt und sieht nun, dass das Kunstwerk ursprünglich anders aussah und warum es umgestaltet wurde – gegen die ursprüngliche Idee des Künstlers. Wer sich selbst ein Bild davon machen will: es handelt sich um das „Bildnis der Frau des Künstlers, Edith Schiele“ von Egon Schiele im Wiener Belvedere.

Die Beziehung zwischen Kunst, Museum und Besucher:in

Digitale Technologien sind Teil unserer Lebensrealität. Damit ist auch die Zeit des Umdenkens hinter altehrwürdigen Mauern angebrochen – nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie, als die Säle gähnend leer blieben. Die zusätzliche Angst, durch digitale Ausstellungen noch mehr Besucher:innen vor Ort zu verlieren, ist bei Artivive unbegründet. Die App ist nur als Zusatz gedacht, nicht als Ersatz. Die Atmosphäre im Museum selbst sei ein wichtiger Teil des Erlebnisses, sagt Sergiu. „Du bist an einem anderen Ort, in einem anderen Mindset als zwischen zwei Online-Calls. Alles riecht und klingt anders. Erst dann entsteht eine Beziehung mit dem Kunstwerk“, so Sergiu, der dazu auch einen spanneden Artikel verfasst hat.

Plattform für AR-Kunst

In Zukunft soll die Community aus Künstler:innen und Institutionen ausgebaut werden. „Wir wollen beide Bereiche besser verbinden, damit noch mehr Kollaborationen entstehen. Wir sind international tätig, also wird das gut funktionieren.“ Artivive soll zu einer florierenden AR-Plattform der Kunstszene werden, Künstler:innen zu Auftragsarbeiten für Unternehmen, Privatpersonen oder öffentlichen Einrichtungen kommen. Bereits jetzt verzeichnet Artivive 100.000 Künstler:innen, die ihre Kunst mit AR gestalten.

Artivive-Gründer Sergiu Ardelean und Codin Popescu streben danach, mit Augmented Reality die Kunst zu revolutionieren. (Foto: Artivive)

Nachgefragt bei Sergiu Ardelean

Hat hierzulande bzw. in Europa die Covid-Pandemie zu mehr Offenheit gegenüber digitalen Technologien wie eurer geführt?

Auf jeden Fall. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass vor Corona viele Institutionen die Digitalisierung ausgesperrt haben. Alles sollte so bleiben wie immer. Mit Corona haben dann plötzlich viele das Potential im Digitalen gesehen und erkannt, dass sie hier einen Nachholbedarf haben. Nach einem Jahr der digitalen Meetings hatten wir ganz andere Gespräche mit den Museumsbetreiber:innen. Sie sehen jetzt den Mehrwert, den Augmented Reality beispielsweise bieten kann, ohne dabei die Besucher:innen zu verlieren. Wir wollen ja auch, dass Menschen ins Museum gehen. Und genau das machen wir mit Artivive – wir verbinden zwei Welten.

Ihr nehmt am Hongkong-Exchange Event von EdTech Austria Teil – ist der asiatische Markt für euch besonders wichtig?

Ja, das würde ich schon sagen. Die Menschen in Asien sind sehr neugierig und mobil-affin. Alles wird über das Handy gemacht – vom Restaurant, angefangen bei der Tischreservierung über die Bestellung und Bezahlung bis zu Terminen oder Kursen. Sie sind neuen Technologien gegenüber sehr offen. Auch der Wohlstand ist gestiegen, vor allem in China, wo es auch sehr viele Leute gibt, die an Kunst interessiert sind. Für uns ist das ideal, wenn all diese Welten so gut zusammentreffen.

Wie sehen eure Zukunftspläne aus?

Ich würde es cool finden, wenn die Besucher:innen ihre eigenen Inhalte zu einem Kunstwerk mit unserer App produzieren können. Weil sie sich damit noch stärker mit dem Kunstwerk auseinandersetzen würden – sie müssen immerhin verstehen, um was es dabei geht, wenn sie etwas beitragen wollen. Und es wäre nochmal eine neue Komponente, wenn man seine Freunde und Familie ins Museum einlädt, um seine eigene digitale Erweiterung der Werke zu zeigen. Das wäre nochmal eine tiefere Interaktion.

 

Eve hat sich nach der Kommunikationsarbeit in der Salzburger Innovationsszene als Texterin in Wien selbstständig gemacht. Der Funke ist über die Distanz aber nicht erloschen: Nach wie vor schreibt sie am liebsten über innovative Unternehmer:innen und ihre spannenden Ideen. Dafür geht ihr im EdTech Bereich sicherlich nicht so schnell der Stoff aus.

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